23. 10. 2018 | Universität Leipzig
Jürgen Strube Lecture

Zur Zukunft von Deutschland in Europa …

 
sprach Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble am 23. Oktober 2018 in Leipzig vor über 500 Studierenden und Bürgerinnen und Bürgern. Auf Einladung der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und den Instituten für Wirtschaftspolitik und Recht und Politik der Universität Leipzig hielt er damit die diesjährige „Jürgen Strube Lecture“ – benannt nach dem langjährigen Unternehmensführer der BASF. Professor Jürgen Strube war als Ehrengast ebenso unter den Gästen wie zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Politik.

Dass der Andrang für die Veranstaltung im Paulinum der Universität so groß sein würde – mehrere hundert Gäste warteten vergeblich vor der Tür -, spreche für die ungeheure Anziehungskraft von Thema und Redner, so Beate Schücking, Rektorin der Universität Leipzig. Sie werte das als zuversichtlich stimmendes Zeichen, betonte auch die Geschäftsführerin der Hanns Martin Schleyer-Stiftung, Barbara Frenz, denn der Unsicherheit und erodierenden Akzeptanz unserer Institutionen – unseres rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fundaments – könne nur durch den offenen, ehrlichen Austausch begegnet werden. Hier stehe auch die Zivilgesellschaft in der Verantwortung. Der Grundgedanke der Schleyer-Stiftung, Wissenschaft und Praxis immer wieder neu in den Dialog zu bringen, komme daher in der Strube Lecture auf vorbildliche Weise zum Tragen; zumal mit Wolfgang Schäuble, der auch Träger des Hanns Martin Schleyer-Preises ist, eine Persönlichkeit spreche, deren Politik von einer klaren, vernunftgeleiteten und unbestechlichen Haltung geprägt ist.

Fast eine Stunde sprach der Bundestagspräsident anschließend über seinen Blick auf Deutschland und Europa und diskutierte mit den jungen Akademikern. Dass die europäische Bilanz aktuell ernüchternd sei, wie in seinen einleitenden Worten auch der Mit-Initiator der Strube Lecture Professor Gunther Schnabl dargelegt hatte, gab Schäuble offen zu.
Aber er bleibe dabei, die europäische Einigung sei die beste politische Idee des 20. Jahrhunderts – und die beste Voraussetzung für ein friedliches 21. Jahrhundert. Denn den globalen Wandel könne heutzutage kein Land mehr allein gestalten. „Und nur wer mitmacht, kann die Richtung auch mitbestimmen.“

Nicht nur angesichts des Brexits und der Entwicklungen in Italien stehe die Europäische Union vor gewaltigen Herausforderungen. Für ihn gebe es deshalb drei Gebiete, auf denen auch weiterhin mehr Europa nötig sei. Dies sei erstens die innere und äußere Sicherheit, zweitens die Migrationsfrage und drittens die Wirtschafts- und Währungsunion. Notfalls müsse es dabei pragmatisch-effizient zugehen, also intergouvernemental. Als Beispiel nannte er den bevorstehenden neuen Élysée-Vertrag, in dem Lösungen für eine deutsch-französische Brigade gefunden werden könnten. Den gängigen Wunsch der deutschen Politik, in der Migrationsfrage den Königsteiner Schlüssel auf Europa zu übertragen, teilt Wolfgang Schäuble allerdings nicht. Eine proportionale Verteilung sei angesichts völlig unterschiedlicher regionaler Erfahrungen mit Einwanderung nicht sinnvoll, und „mit der Brechstange lässt sich Europa nicht einigen“.

Die Nachbarländer erwarteten von Deutschland die Übernahme von Führung und Verantwortung. Ein Bild von Timothy Garton Ash aufgreifend, wünsche er sich Deutschland daher als „Zinédine Zidane Europas“ – also als Mittelfeldregisseur, der den Spielverlauf aktiv mitbestimme, aber die meisten Erfolge den anderen Akteuren überlasse.

Zu Beginn der Diskussion verwies Professor Arnd Uhle auf die Komplexität des Rechts, die den Einigungsprozess in Europa erschwere – was auch Schäuble betonte: „Einheitliche Rechtssetzung heißt nicht einheitliche Rechtsanwendung.“

Der Bundestagspräsident endete mit einem deutlichen Appell an die jüngere Generation im Saal: Es liege nun an den Jüngeren, Antworten zu geben. Europas Jugend spreche sich zwar mehrheitlich für offene Grenzen und eine stabile Gemeinschaft aus, lasse dem aber zu wenige Taten folgen. Und das, obwohl der Einstieg in politisches Handeln denkbar einfach sei. Nur: „Man muss sich kümmern, und man kann es nicht nur im Internet tun.“ Mit Zuversicht und gemeinsamem Handeln könne man einiges bewegen.

 

Grußwort gehalten von Barbara Frenz,
Geschäftsführerin der Hanns Martin Schleyer-Stiftung

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